Suffizienz – was ist das denn?

Neue Ansätze – wie die hin zum menschlichen Maß – bedürfen auch neuer Begriffe.

Subsistenz bedeutet, allgemein gesprochen, das genügsame Anpassen von Ansprüchen an die Möglichkeiten, welche sich aus den eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten oder den nahe gelegenen nicht vermehrbaren Optionen und Ressourcen speisen; kurz: Das Vorhandene zum Hinreichenden werden lassen. (Gronemeyer, 1998)

Bereits 1993 hat Wolfgang Sachs den Begriff der Suffizienz (von lat. sufficere ‚genügen‘, ‚ausreichen‘) für einen Weg in diese neue Richtung eingeführt: Die 4 E’s – Merkposten für einen maß-vollen WirtschaftsstilSachs hat damit die Suffizienz mit die Idee der 4 E – Entschleunigung, Entflechtung, Entrümpelung und Entkommerzialisierung – umschrieben.

ENTSCHLEUNIGUNG, erklärt mit einem Zitat von Prof. Sachs aus seinem Essay„Wo die Zukunft unübersichtlich geworden ist, da hat auch das Beschleunigungsgebot seine Autorität verloren.“  (→Blogbeiträge u.a. Raum für Nichtstun – weniger wollenNichtstun – das kann man lernenWu Wei oder auch Ankündigung Beitragsreihe „Entschleunigung“)

ENTFLECHTUNG ist vielleicht am besten kurz mit De-Globalisierung zu umschreiben.

Mit ENTRÜMPELUNG ist gemeint, eine Wende anzupeilen, die die Souveränität des Konsums quasi wieder zurück erobert. Suffizienz heißt also auch, sich auf das zu beschränken, was ich tatsächlich mit meinem nicht mehr vermehrbaren Quantum an Zeit überhaupt verarbeiten kann.

Und ENTKOMMERZIALISIERUNG kann man in unserer konsumgetriebenen Gesellschaft am ehesten beschreiben mit Befreiung vom Überfluss. (→Befreiung vom Überfluss)

Aber lest bitte selbst, wie es Wolfgang Sachs beschreibt in Die 4 E’s – Merkposten für einen maß-vollen Wirtschaftsstil.

Langsamer, weniger, besser, schöner – so beschrieb Hans Glauber, der Initiator der ‚Toblacher Gespräche‚, die Idee der Suffizienz.

Zitat Wolfgang Sachs:

Einer naturverträglichen Gesellschaft (für mich ist das gleichbedeutend mit einer im eigentlichen Sinne menschlichen Gesellschaft →Naturschutz = Menschenschutz) kann man in der Tat nur auf zwei Standbeinen näherkommen:
Durch die intelligente Rationalisierung der Mittel, wie auch durch eine kluge Beschränkung der Ziele. Das heißt konkret: Die ‚Effizienzrevolution‘ bleibt richtungsblind, wenn sie nicht von einer ‚Suffizienzrevolution‘ begleitet wird. 

Am Beispiel der Energiepolitik hieße das:

Überlegungen und Maßnahmen zur grundsätzlichen Reduzierung des Energieverbrauchs sind gleichbedeutend zu diskutieren und zu berücksichtigen wie die Möglichkeiten von Energiealternativen! 

Eine wirklich nachhaltige Wende – nicht nur in Hinblick auf die Energie – bedarf daher umfassender gesellschaftspolitischer Maßnahmen, ein völlig neues wirtschaftspolitisches Instrumentarium mit weiteren neu zu definierenden Messgrößen, neben etablierten volkswirtschaftlichen Indizes, wie beispielsweise BNE und BIP. 2009 wurde zum Beispiel der HDI, der Happy Planet Index (wirklich wahr ;-)!) von der New Economics Foundation publiziert, der das Kriterium der Nachhaltigkeit bereits einbezieht. Quasi ein Anfang…

 Joachim Lohse, Geschäftsführer des Öko-Instituts meint dazu:

Öko-Suffizienz als „Lebens- und Wirtschaftsweise, die dem übermäßigen Verbrauch von Gütern und damit von Stoffen und Energie ein Ende setzt“. Dies kann durch eine geringe Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, die einen hohen Ressourcenverbrauch erfordern, erreicht werden. Das nötige Umdenken wird als schwieriger als die Adaptionen neuer Technologien eingeschätzt.

Er endet mit dem Satz: Die Suffizienz ist politisch ungleich heikler als die Effizienzfrage.

Wie gesagt: Ein langer Weg, aber irgendwann muss man halt auch in der Politik damit anfangen. Und vor allem finde ich wichtig, dass wir – die Bürger – wissen, was es dafür braucht. Denn man sieht ja, die Politiker sagen uns das nicht.

Hier noch für Interessierte eine detailliert aufbereitete Publikation zum Thema: Damit gutes Leben einfacher wird – Perspektiven einer Suffizienzpolitik von Uwe Schneidewind & Angelika Zahrnt und zwei weitere Blogbeiträge →Mir geht es hier um’s gute Leben, →Warum gutes Leben auch ein politisches Thema ist.

Bleibt menschlich!

Iris

 

3 Gedanken zu „Suffizienz – was ist das denn?

  1. Dietfried Gruber

    Liebe Iris!
    ich empfand es als Wunschtraum, dass eines Tages ein Mensch wie Du mit so viel sprühendem Geist, Fachwissen und fundierter Bildung die Gemeinwohlökonomie aus ihrer Wolke auf die Erde bringt. Lass Dich in der Delegiertenkonferenz nicht entmutigen, wähle die marode Organisationsstruktur für einen Einstieg in ihre Mitgestaltung!
    Mir scheint, in Deinem Blog sammelt sich das ganze Wissen um die neuen Wege im wirtschaftlichen Leben. Ich hoffe sehr, dass diese Quelle von vielen Gleichgesinnten genutzt wird, um die Entwicklung einer sozio-ökologischen Welt voran zu bringen.
    Dietfried

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    1. Iris Beitragsautor

      Lieber Dietfried,

      ich danke Dir aus vollstem Herzen!
      Was die DV morgen anbelangt: Es wird sich zeigen… Auch ich wünsche mir sooo sehr, dass sich noch ganz viele Gleichgesinnte in der Realität – ganz faktisch und nicht nur über Bücher und Internet, finden, die den Mut haben und den innigen Wunsch verspüren, auf der Basis eines durchaus friedlichen, aber dennoch radikalen Umdenkens und einem neuen Bewusstseins Werte zu leben, die uns die Vision ermöglichen: Ein Leben „zum Wohle von allen, zum Schaden von keinem“. Es ist möglich, davon bin ich ganz feste überzeugt! Und Suffizienz heißt eben nicht (Genuss)-Verzicht, sondern die Besinnung auf das Wesentliche! Und ab da, fängt das Leben an, erst richtig schön zu werden und macht echten Genuss erst möglich!!!! Doch: „Was weiß man schon, wenn das Wissen nicht zur Erfahrung wurde.“ Ich weiß es, denn ich hab es selbst bereits erfahren…

      Weißt Du, mir ist es dabei im Grunde vollkommen egal, wie sich die Gruppe nennt, daher habe ich eben etwas ganz anderes als Benennung gewählt, nämlich „Dilettanti“, denn alle in diesem Blog aufgeführten Strömungen verbindet im Grunde eines: die Leidenschaft für den Wunsch nach einem Paradigmenwechsel auf unserer Erde, weg vom sinnlosen und destruktiven Konsum und dem einher gehenden Wirtschafts- und Finanzgebahren, das sich gegen Mensch und Natur richtet…

      Herzlichst Iris

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  2. Pingback: WNGR ST GNG! |

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