Antwort des Ethikrats auf meine Anfrage

Meine Anfrage an den Ethikrat angesichts des Welttags der sozialen Gerechtigkeit:

…Dabei stieß ich auf den Begriff ‚ethische Prinzipien‘ und habe mich gefragt, welche diese sind bzw. wer diese festlegt und so bin ich auf sie gestoßen. Meine Frage: Nach welchen Kriterien fällen Sie Ihre Urteile bzw. Entscheidungen?

Hier die unkommentierte Antwort vom 25.02.14: 

Sehr geehrte Frau Liedl,

um sich dem Begriff ethisches bzw. moralisches Prinzip anzunähern, ist es zunächst sinnvoll, die Begriffe Ethik und Moral zu erläutern und sinnvoll zu unterscheiden.

„Moral“ bezeichnet für gewöhnlich die Gesamtheit der Urteile und Regeln, die das menschliche Leben leiten, d.h. alle Verhaltens- und Umgangsformen, die die Menschen in einer Gesellschaft voneinander erwarten.

Die „Ethik“ ist wiederum eine Ebene höher angesiedelt: ihr Gegenstand ist die Moral, wie sie oben beschrieben wurde. Die Ethik beschäftigt sich mit dem menschlichen Handeln und begründet und beurteilt die Regeln und Werte unseres Zusammenlebens. Die Fragen der Ethik lauten etwa: Wie soll ich handeln und wie kann ich mein Handeln rechtfertigen? Wie wollen wir zusammen leben? Was ist gerecht, was ist gut, was ist schlecht?

Grundsätzlich gibt in der Ethik keine für alle Zeiten festgelegte und universell gültige moralische Prinzipien, sondern nur verschiedene Theorien dazu. Das bekannteste Prinzip, der kategorische Imperativ, stammt von Kant und besagt: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Hierbei handelt es sich um ein abstraktes, formales Prinzip. Aus solch einem Prinzip lassen sich dann praktische Grundsätze ableiten, wie beispielsweise die 10 Gebote in der Bibel oder auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Deren Anwendung auf die Einzelsituation obliegt aber der Urteilskraft des einzelnen und kann durch die Ethik nicht ein für allemal festgelegt werden.

Ethik liefert also nicht unbedingt konkrete Handlungsrezepte, sondern vielmehr Kriterien, anhand derer Regeln begründet oder kritisiert und Handlungen bewertet werden können. Hierbei geht es vor allem um rationale Argumentation, die möglichst viele verschiedene Standpunkte zu einem Thema mit einbezieht, insbesondere in einer pluralistischen Gesellschaft. Dies entspricht auch der Arbeit des Deutschen Ethikrats, wenn er sich mit einem Thema beschäftigt.

Prinzipiell ist eine ethische Argumentation wie folgt aufgebaut: Es werden Zweck, Mittel und Folge als Elemente menschlichen Handelns betrachtet: Ist der Zweck einer Handlung gut oder schlecht, bzw. wirklich wünschenswert? Sind die Mittel zur Herbeiführung dieses Zwecks legitim? Sind die eventuellen Folgen einer Handlung verantwortbar und wünschenswert?

Eine ethische Argumentation hilft, moralische Gefühle oder Intuitionen in Argumente zu überführen. In einer Diskussion muss man Gründe für die eigene Überzeugung hervorbringen, damit die Vorschläge bewertet werden können. Genau dies tun die Ratsmitglieder, wenn sie eine Stellungnahme erarbeiten: Sie stellen die Gründe, die für oder gegen eine Handlung sprechen, dar und bewerten diese im Hinblick auf die Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft. Auf dieser Grundlage kann jeder nachvollziehen, wie die Empfehlungen der Ratsmitglieder zustande gekommen sind und worauf sie sich gründen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen,

Isabelle Ulbrich-Kern

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Dr. des. Isabelle Ulbrich-Kern
Wissenschaftliche Referentin
Deutscher Ethikrat
Jägerstr. 22 / 23
10117 Berlin
Tel.: 030 / 20370-524
Fax: 030 / 20370-252
Email: ulbrich-kern@ethikrat.org
URL: http://www.ethikrat.org

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