„Das was wir normal nennen, ist wirklich verrückt“

Am vergangenen Dienstag ist Arno Gruen, Schriftsteller, Psychologe und Psychoanalytiker, im Alter von 92 Jahren in Zürich verstorben. Ein echter Umdenker.

Der Mensch hat die Möglichkeit menschlich mit sich und mit anderen zu sein. Was aber passiert ist, dass unter den Umständen, den Strukturen, die sich entwickelten mit den so genannten „großen“ Zivilisationen, die auf Eroberung und Besitz basierten, sich das Bewusstsein bei vielen Menschen veränderte.

Ursprünglich sei der Mensch auf Zuwendung programmiert, so Grün. Der Mensch sei ein einfühlendes, ein kooperatives Wesen, war Gruen der festen Überzeugung. Gewalt dringe erst später ins Bewusstsein, Empathie hingegen verkümmere.

Denken wir ohne Mitgefühl, dann leben wir gewissermaßen in einer Scheinwelt aus Abstraktionen, die Kampf und Konkurrenz zu den Triebkräften unserer Existenz machen. Daraus resultiert alles Folgende: Die Gewalt, das Feinddenken, die Vergötterung der Aggressoren, die Selbstzerstörung, die Unterwerfung, die Vernichtung. Sozusagen „dem Leben entfremdet„, wie auch ein Buchtitel des 2001 mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichneten Autors heißt.

Arno Gruen: Das was wir normal nennen, ist wirklich verrückt. Und viele die wir als verrückt ansehen, sind wahnsinnig, weil sie nicht leben können in einer Gesellschaft, die heuchlerisch ist, deshalb werden sie verrückt. Die Verrücktheit könnte uns ja was sagen über uns selber, wo wir mitmachen bei Dingen, die gar nicht richtig sind.

Den ganzen Nachruf auf Bayern 2 anlässlich seines Todes am 20. Oktober 2015 hier.

Wer mehr von Arno Gruen hören möchte: „Sternstunde Philosophie“ mit Arno Gruen auf youtube

Kurze inhaltliche Zusammenfassung:

Wahnsinn wird für gewöhnlich als mangelnder Bezug zur Realität definiert. Das Normale und die Realität bilden damit ein Begriffspaar, dessen logische Zusammengehörigkeit selten hinterfragt wird. Der bekannte Psychoanalytiker Arno Gruen, der zuletzt an der Rutger University, New Jersey lehrte, kritisiert diese Sichtweise. Wer bestimmt, was als realistisch zu gelten hat? Wie entsteht die Übereinkunft bei der Definition des Normalen? Leben wir in einer wahnsinnigen Welt, deren Krankheit es eben gerade ist, so zu tun als wäre alles normal? Diese Fragen diskutieren Michael Pfister und Nicole Müller im Gespräch mit Arno Gruen.

Buchtipps:

Der Wahnsinn der Normalität. Realismus als Krankheit: Eine grundlegende Theorie zur menschlichen Destruktivität, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998.

Der Verrat am Selbst — Die Angst vor Autonomie bei Mann und Frau, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2004.

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