Knock-out-Kriterium „Unwirtschaftlichkeit“

Es gibt im gegenwärtigen Wortschatz der Wirtschaftswissenschaft für den Ausdruck der Geringschätzung nur wenige Worte, die so endgültig verdammen wie das Wort „unwirtschaftlich“.

Das erkannte Ernst F. Schumacher – ein großer volkswirtschaftlicher Umdenker – bereits 1973 in seinem Buch „Small is beautiful“ und er fährt darin fort: 

Ist eine Tätigkeit einmal als „unwirtschaftlich“ gebrandmarkt, wird ihr Existenzrecht nicht nur in Frage gestellt, sondern energisch bestritten. Alles, wovon man annimmt, es stelle ein Hindernis wirtschaftlichen Wachstums dar, ist zu verachten. Menschen, die daran festhalten, werden entweder als Saboteure oder Narren gehalten. Man nenne es unmoralisch oder hässlich, eine Gefahr für den Weltfrieden oder das Wohlergehen späterer Generationen, man sage, es zerstöre die Seele oder erniedrige den Menschen – solange man nicht gezeigt hat, dass es „unwirtschaftlich“ ist, hat man sein Recht auf Leben, Wachstum und Gedeihen nicht wirklich in Frage gestellt.

Diese Gedanken bekommen – wie ich finde – gerade jetzt wieder einmal eine unglaubliche Brisanz vor dem Hintergrund der Generalrevision 2014 der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung  (→Drogenhandel bald im BIP).

Was bedeutet es also im System der Wirtschaftswissenschaft (WW), wenn etwas als unwirtschaftlich bezeichnet wird?

Schumacher: Etwas ist dann unwirtschaftlich, wenn es keinen angemessenen Gewinn erbringt, der sich in Geld beziffern lässt. Das System der WW bringt keinen anderen Sinn hervor und kann auch keinen anderen hervorbringen.

(…) Das Urteil der WW ist, mit anderen Worten, ein überaus bruchstückhaftes Urteil. Aus der großen Anzahl von Gesichtspunkten, die im wirklichen Leben gemeinsam gesehen und beurteilt werden müssen, bevor man eine Entscheidung fällen kann, stellt die WW nur einen zur Verfügung – ob etwas jenen, die sich damit beschäftigen, einen Geldgewinn bringt oder nicht.

(…) Sogar auf dem eng umgrenzten Gebiet der Rentabilitätsberechnung sind diese Urteile zwangsläufig und methodisch eingeschränkt.

Zum einen legen sie auf die Kurzfristigkeit ein vielfach größeres Gewicht als auf die Langfristigkeit, weil wir, langfristig gesehen, wie Keynes mit heiterer Brutalität bemerkte, alle tot sein werden. Und zum zweiten basieren sie auf einer Definition des Kostenbegriffs, bei dem alle „kostenfreien Güter“ ausgeschlossen sind. Damit ist die gesamte gottgegebene Umwelt gemeint. Das aber bedeutet, dass ein Tun auch dann wirtschaftlich sein kann, wenn es der Umwelt schadet (Anmerkung: Eine Ölpest erhöht bspw. dann das BIP eines Landes, wenn Firmen mit der Beseitigung beschäftigt sind und damit Gewinne erzielen!) und dass ein damit im Wettbewerb stehendes Handeln unwirtschaftlich ist, wenn es die Umwelt mit einem gewissen Kostenaufwand schützt und bewahrt.

Darüber hinaus beschäftigt sich die WW mit Waren entsprechend ihrem Marktwert und nicht entsprechend dem, was sie wirklich bedeuten.

(…) Das aber bedeutet, es gehört zum System der Wirtschaftswissenschaft, der Abhängigkeit des Menschen von der Natur keine Beachtung zu schenken. (Ergänzung: und erst recht nicht moralischen, ethischen oder sonstigen menschlichen Werten!)

(…) In dem Umfang, in dem wirtschaftliches Denken auf dem Markt vorherrscht, nimmt es dem Leben den Sinn, da etwas, das einen Preis hat nichts Bleibendes an sich haben kann. (Anmerkung: Hier ist er sich einig mit Immanuel Kant siehe Gedankensplitter →Alles was ersetzbar ist, hat seinen Preis)

(…) Doch ist die logische Absurdität noch nicht der größte Fehler dabei: schlimmer und für die Zivilisation zerstörerisch ist der Anspruch, dass alles einen Preis hat oder, anders gesagt, dass Geld der höchste aller Werte ist.

Aktuell wie am Tag seiner Erstveröffentlichung vor mehr als 40 Jahren…

Deshalb: Bleibt menschlich!

Iris

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