Selbstliebe – Quelle der Zufriedenheit und Menschlichkeit

Ich möchte heute dieses – wie ich finde – elementare Thema noch einmal aufgreifen, das ich mit dem wundervollen Gedicht von Charlie Chaplin „Als ich mich selbst zu lieben begann“ schon einmal angerissen habe.

„Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst“ schrieb der Evangelist Lukas um das Jahr 60 n. Chr. nieder. 

Selbstliebe oder wie man es neutraler bezeichnen könnte: Selbst-Wert-Schätzung und innere Selbst-Zufriedenheit, ist – anders als die Liebe zu anderen Menschen – keine Emotion, sondern eine innere Haltung zu sich selbst. Sie bezeichnet die persönliche Selbstannahme mit all den eigenen Stärken und Schwächen. Sie ist damit nicht zu verwechseln mit den Begriffen des Egoismus oder gar des Narzissmus.

Und schon viel früher haben sich Menschen zu diesem Thema Gedanken gemacht:

„Schämst Du dich nicht, für Geld zwar zu sorgen und für Ruhm und Ehre, für Einsicht aber und Wahrheit und für deine Seele, dass sie sich auf’s Beste befinde, sorgst Du nicht.“ schimpfte bereits Sokrates etwa 407 v. Chr.

„Wer in sich selbst beruhigt ist, der beunruhigt auch den anderen nicht.“ erklärte Epikur um 300 v. Chr.

„Jeder von uns hat nur ein Leben. Deins ist aber schon beinah abgelaufen, ohne dass Du dich selber mit Ehrfurcht behandeltest. Suchtest Du doch dein Heil in den Seelen der anderen.“ bedauerte der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel  in seinen Selbstbetrachtungen im 2. Jhd. n. Chr.

Warum also muss nun das sog. „christliche Abendland“ die Selbstliebe neu für sich entdecken?

Nun, es gab da ein grundlegendes Missverständnis:

Denn über Jahrhunderte hinweg, ließ die Kirche bei der Interpretation des Gebotes der „Agape“, also der göttlichen und uneigennützigen Liebe, die ebenso gebotene Selbstliebe einfach „unter den Tisch fallen“. Vielmehr verlangte sie die pure Selbstaufgabe.

 Ca. 370 n. Chr. verfasste der Bischof und Kirchenlehrer Basilus der Große in seinem „großen Asketikon“ die ersten Regeln für das Mönchtum, das tatsächlich bis heute Gültigkeit für die orthodoxen Kirchen hat. Hier heißt es ausdrücklich: Du sollst erstens Gott lieben, zweitens den Nächsten wie dich selbst,  aber eben explizit nicht Dich selbst! (Anmerkung: Eigentlich schon da ein Widerspruch in sich, oder?!)

Diese christliche Haltung hat dann knapp 1000 Jahre unangefochten überdauert. Bis Thomas von Aquin im 13 Jhd. zu dieser Deutung Stellung bezog. Er bezeichnete die Selbstliebe als etwas Unverzichtbares, ja etwas Selbstverständliches, denn ein jeder sei als ein Geschöpf Gottes grundsätzlich liebenswert und kostbar und kann und darf sich als solches nicht missachten. Und aus dieser Selbstliebe heraus ergibt sich die Kraft zur Nächstenliebe.

Für Thomas von Aquin kam sogar die Gottesliebe somit erst an dritter Stelle. Eine theologische, wie auch philosophische Revolution ;-)! Aber leider ohne jegliche Konsequenz. Denn – obwohl er ein hoch geschätzter anerkannter Theologe über die Jahrhunderte war – an diesem Punkt ist ihm niemand gefolgt.

Möglicherweise, weil der Begriff der Selbstliebe die Kirchenväter zu sehr an freudvolle Genüsse und egoistische Selbstbezogenheit erinnerte. (Da fällt mir das Sprichwort dazu ein: „Schlecht ist, wer da Schlechtes denkt.“;-))

Doch war dies nicht sehr nützlich für die psychische Gesundheit des Menschen – und somit der Gesellschaft. Und das gilt bis heute.

Denn es richtet in der menschlichen Seele, aber auch im gesellschaftlichen Miteinander Schaden an, wenn man dem Menschen verbietet, gut mit sich selber umzugehen bzw. auf seine Bedürfnisse zu achten. Wenn man immer wieder betont, dass dies egoistisch sei oder sogar „Sünde“! Dies alles fördert nicht die Liebe zum Nächsten, sondern wirkt letzten Endes kontraproduktiv.

Mangelnde Selbstliebe zehrt nämlich an den seelischen Kräften.

Wenn ich denke, ich bin nicht liebenswert, dann scheue ich mich davor, mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen. Dann werde ich einfach nicht die Beziehungen eingehen, die ich eigentlich brauche, um mich mit mir und meinem Leben wohl zu fühlen.

Wenn ich dauernd mit mir hadere, dass ich wohl nicht gut genug bin, dann trau ich mir bestimmte Sachen nicht zu oder werde mich ewig abmühen, ja gut genug zu sein und dennoch weiter an mir zweifeln. Ich werde es nicht schaffen, anzuerkennen: „das war jetzt wirklich gut von mir. Das reicht doch eigentlich.“

Depressionen, Minderwertigkeitsgefühle, Schuldkomplexe und was der Probleme mehr sind. Wer sich selbst bekämpft kann sich nicht lieben. Und umgekehrt: Wer sich selbst liebt, bekämpft sich nicht.

Die Selbstliebe ist also mehr als ein Zustand, sondern ein durchaus erstrebenswertes (Lebens-)Ziel.

Also seid menschlich – auch – und vor allem zu allererst – zu Euch selbst ;-)!

Iris

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