Besitz als Identitätsstifter

Erich Fromm’s Buchtitel  „Haben oder Sein“ (→ gleichnamigen Beitrag) mag auf den ersten Eindruck provozierend und radikal klingen. Gilt doch in unserer modernen Gesellschaft: Ohne Haben kein Sein. Oder?!

„Haben“, das ist eben nicht nur das, was wir zum Leben brauchen, sondern auch das, was wir gerne „sein“ möchten. Anders formuliert: nach außen darstellen möchten. In dem Sinne, dass die Dinge, die wir besitzen, gewissermaßen auch Status anzeigen – wie wichtig wir sind – und dass wir damit unsere Zugehörigkeit zu einem bestimmten Millieu, einer Klasse, einer „Kaste“ anzeigen. (Und das ist natürlich nicht das „Sein“, von dem Fromm spricht. Er meint damit das Sich-seiner-Selbst-bewussten-Seins).

„Oh Lord, would you buy me a Mercedes Benz, my friends all drive Porsche…“ sang schon Janis Joplin in den 60er Jahren ;-).

Das Haben ist mit dem Seins-Begriff, der in unserer modernen Gesellschaft vorherrscht, so eng verknüpft, dass man sich, sein „Sein“ – sein eigentliches Wesen – mit den Dingen, also seiner „Habe“, im eigentlichen Sinn oftmals sogar  „verwechselt“.

Das zeigt die Aussage einer Frau, die vor ihrem vom Hochwasser zerstörten Haus steht: „Das Wasser hat alles zerstört, was ich hatte. Aber es hat auch alles zerstört was ich war.“ Mich hat dieser Satz tief betroffen gemacht.

Der Moment aber – in dem einem diese „Verflechtung“ von Sein und Haben bewusst wird – bedeutet, den ersten Schritt zu mehr persönlicher Autonomie gemacht zu haben.

Dinge haben natürlich oft die Funktion eine Zugehörigkeit zu symbolisieren und das ist gut so. Problematisch wird es erst dann, wenn daraus ein – häufig unbewusster – gesellschaftlicher Zwang wird, so dass man gar nicht mehr dazu kommt, all die schönen Dinge zu nutzen und – vor allem – sie zu genießen ;-), weil man damit beschäftigt ist, den „Vorgaben“ zu entsprechen, um ja auch weiterhin „dazu“ zu gehören. Und was mir dabei noch wichtigster erscheint: sein Selbst – seinen Selbst-Wert – davon abhängig macht.

Dazu fällt mir gerade der Satz ein, den ich mal irgendwo gelesen habe: „Viele von uns gehen durchs Leben und fühlen sich dabei wie Reisende in fremden Kleidern.“ Als ich ihn damals las, war das für mich ein echter Flash. Ich fühlte mich ertappt!

Ohne Haben kein „Sein“. Der moderne Mensch benötigt offensichtlich Dinge zur Ergänzung seiner Existenz. Das heißt aber nicht, dass wir so viele Dinge brauchen, wie wir meinen zu brauchen 😉. Die uns zu Getriebenen werden Was es meines Erachtens zukünftig mehr braucht, ist individuelle Souveränität und eine neue bewusstere Qualität des Habens. Kein fremdbestimmtes Konsumieren, um ja den Anforderungen der Peergroup zu entsprechen oder einfach nur den Vorstellungen der Nachbarn ;-).

Wie sagt Tim Jackson (Autor von „Wohlstand ohne Wachstum“, Leseprobe) so schön in seinen Vorträgen „An economic reality check“ und „Prosperity without Growth“ (youtube):

„And even, if we don’t want them (the products), we need to buy them. (…) Just to stay in the game. (…) That’s a story about us: People being persuaded to spend money on things we don’t need to create impressions which won’t last on people we don’t care about.“

Bleibt menschlich ;-)!

Iris

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