Vertreibung aus dem Paradies

Wir wurden nicht vertrieben! Und schon gar nicht von einem strafenden Gott. (Bild: Marc Chagall)

Versinnbildlicht dieser Satz doch viel eher die Abkehr der Menschheit – ganz aktiv und bewusst – von den Verhaltensweisen & Denkstrukturen der Natur(verbundenen)-Religionen.

Es waren gerade die monotheistischen Religionen, die autarke und selbstbestimmte Handlungsweisen im Einklang mit der Natur – und damit auch der „Natur“ des Menschen – ächteten und sogar unter Strafe stellten.

Dem Göttlichen der Schöpfung als solches wurden gewissermaßen Substitute vorangestellt. Und das Paradies rückte als nicht von dieser Welt in weite unerreichbare Ferne. 

Die Demut vor der Schöpfung, die sich tagtäglich in uns selbst und in den Wundern der Natur zeigt, ist durch eine – im großen Stil erzwungene – Demut vor einem über allem stehenden Gottesbild ersetzt worden. So konnten besonders gut Abhängigkeiten erzeugt und gehalten werden, die für eine Machtausübung im großen Stil grundsätzlich notwendig sind. Mechanismen, die bis heute wirken. Im Grunde genommen – entschuldigt die klaren Worte – eigentlich menschenverachtend. (Denn wie meinte Hesse so schön: →Dass Gott in jedem von uns lebt…)

Erbschuld und Sünde sind Wertekategorien, die es meines Wissens in Naturreligionen (Kelten, Aboriginies, Indianer, etc.) nicht gibt. Sehr wohl aber solche wie Rücksichtnahme, Achtsamkeit und eine selbstverständlich gelebte Nachhaltigkeit und Einssein mit der Schöpfung. Letzteres ist übrigens das Paradies ;-)! (→Naturschutz = Menschenschutz)

Das größte Missverständnis der Christentums liegt in meinen Augen in der über fast zwei Jahrtausende wirksamen Fehlinterpretation des ‚göttlichen Auftrags‚ Machet euch die Erde Untertan. (Genesis 1, 28). Ursprünglich, also alttestamentarisch, war nämlich damit nicht Missbrauch und Ausbeutung gemeint, sondern eine Fürsorgeverpflichtung – aus unserer einzigartigen Fähigkeit heraus, unser Denken und Handeln bewusst steuern zu können.

Indem sich aber der Mensch zur Krone der Schöpfung hoch stilisiert hat, hat er sich gewissermaßen selbst aus der Natur – und damit dem Einssein mit ihr – heraus katapultiert.

Diese noch heute weit verbreitete Auslegung steht zudem im krassen Widerspruch zur echten Nachhaltigkeit und entbehrt damit auch jeder Form wirklicher Weisheit. Kein Wunder also, dass in den heutigen, durch diese Religion über sehr, sehr lange Zeit maßgeblich geprägten Kulturen Werte wie Weisheit – immerhin eine menschliche Kardinaltugend – keine Rolle mehr spielen (bzw. gar nicht erwünscht waren!) und Nachhaltigkeit bisher in Wirtschaft und Politik kaum über die Bedeutung einer Worthülse hinaus gekommen ist.

Warum ich der Meinung bin, dass wir gerade jetzt etwas zum Besseren wenden können (nicht nur müssen)?

Weil wir heute – hier und jetzt – eine noch nie da gewesene faktische Möglichkeit zu gesellschaftlicher Freiheit und geistiger Autarkie haben (wir müssen uns ihrer nur bewusst werden und sie uns zugestehen), um DIE Eigenverantwortung übernehmen zu können, die notwendig ist, damit sich ein Paradigmenwechsel hin zum menschlichen und damit auch zum natürlichen Maß (→Warum der Untertitel ‚Hin zum menschlichen Maß‘?) vollzieht. Jetzt kommt es wirklich auf uns an …

Bleibt menschlich!

Iris