Überwachungsdemokratie – wie man Orwell überbietet

Noch ist es zwar nur eine Hypothese, doch mit der Notwendigkeit, dass die NSA nicht mehr nur verborgen Macht ausüben darf, sondern öffentlich Leistung demonstrieren müsste und gesellschaftlichen Anschluss benötigt, wird eine Herrschaft der NSA als Zukunftsszenario immer vorstellbarer. Ist die Sicherheitsbehörde doch längst ein derart potentes Imperium der Überwachung geworden, dass die Unterwerfung unter eine wie auch immer geartete Regierung langfristig als eher unwahrscheinlich erscheint. Das meint zumindest der Philosoph Prof. Bernhard Taureck und führt weiter aus:

 Das Ganze bekäme dann – so Prof. Taureck – sogar vergleichsweise religionsähnliche Züge:

„Zum einen das Bewusstsein, wenig Macht zu besitzen und letztlich von etwas viel Größerem abhängig zu sein. Zum anderen aber auch weil Religion immer mit Vergesellschaftung einher geht: Religionen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie von Gemeinschaften geteilt und die Gläubigen miteinander verbinden.

Diesen beiden Annahmen könnte eine ideologisch umgerüstete NSA ohne Mühe entsprechen. Das gigantische Wissen der Sicherheitsbehörde gibt dem Einzelnen das Gefühl einerseits von Nichtigkeit, anderseits von Geborgenheit. Der Einzelne kann vor dieser übermenschlichen Informiertheit in Furcht und Schrecken geraten, denn er entkommt ihr nicht.“

Prof. Taureck sieht daraus eine sog. Überwachungsdemokratie erwachsen (die, ehrlich gesagt, in meinen Augen bereits existiert):

Wir dürfen – nein, wir sollen frei kommunizieren, denn wir sollen überwacht bleiben. Wir wollen und sollen beispielsweise über Twitter frei kommunizieren. Twitter ist aber längst eine NSA-überwachte Kommunikation. Wir dürfen und sollen ebenfalls möglichst viel konsumieren und dürfen uns selbstverständlich auch „frei“ bewegen. So lange die entsprechenden Daten dazu alle gespeichert und bei Bedarf abgerufen werden können.

„Wer über einen Wissensvorsprung vor der gesamten Menschheit verfügt, der befindet sich bereits in einer übermenschlichen Position gegenüber den Menschen.“ so Prof. Taureck. „Um dieses übermenschliche Wissensmonopol zu rechtfertigen, bleibt langfristig kaum eine andere Wahl als die Erfindung einer irgendwie religiösen Sprachregelung, welche von der Bevölkerung akzeptiert wird. (…)“

Ein interessanter wie auch völlig einleuchtender Ansatz, den es lohnt sich detaillierter anzuhören hier. (Kompletter Beitrag des Philosophen Prof. Bernhard Taureck mit dem Titel „Wie man Orwell überbietet“, auf SWR2, vom 3.08.14)

Vor allem würde dies für die Masse bedeuten: Sie müssten nichts ändern! Alles ginge einfach so weiter wie bisher und – sie hätten zudem etwas „Großes“, an das sich glauben können, in einer scheinbar so gottlosen Welt. Welch grausiges, aber durchaus vorstellbares Zukunftsszenario. Sieht man doch, wie gleichgültig der Großteil der Bevölkerung dem Thema „Überwachung & NSA“ gegenüber steht…

Übrigens: Der Essay „Überwachungsdemokratie. Die NSA als Religion“ von Bernhard H. F. Taureck ist ab 1. Oktober 2014 im Buchhandel erhältlich.

Bleibt menschlich ;-)!

Iris

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